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UPD-Newsletter 01/2023: Reformeifer im Gesundheitswesen, Neuaufstellung der UPD und das leidige Warten auf den Arzttermin

Liebe Leserinnen und Leser,

über das deutsche Gesundheitswesen wird sich gern beklagt, aber zumindest gibt's wenig Grund für Langeweile: Auch im ersten Quartal des Jahres gab und gibt es wieder viel zu kommentieren, zu diskutieren und infrage zu stellen:

Da wäre die von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach angestoßene Krankenhausreform. Bitter nötig, um das System vor dem drohenden Kollaps zu retten, sagen die Einen. Ein schwerer Schlag für die wohnortnahe Versorgung, sagen die Anderen. Wer hat recht? Der Minister warnt jedenfalls vor "Panikmache". Viele Expertinnen und Experten begrüßen die grundsätzliche Stoßrichtung der geplanten Reform. Die Versorgungsqualität in den Krankenhäusern würde verbessert, die Personalnot gelindert werden. Eine signifikante Zahl von Kliniken müsste aber wohl ihre Pforten schließen. Die genaue Umsetzung steht aber noch in den Sternen.

Dann wäre da die von Karl Lauterbach vorgelegte Digitalisierungsstrategie. Man könnte hier von "Vorpreschen" sprechen -  angesichts der bisherigen Geschichte der Digitalisierung im deutschen Gesundheitswesen lässt sich wohl eher sagen, dass der Minister endlich die verkehrsberuhigte Zone verlassen hat. Herzstück der Digitalisierungsstrategie: Die elektronische Patientenakte (ePA) soll vom Opt-In zum Opt-Out werden. Für alle Versicherten würde dann automatisch eine ePA angelegt werden, der oft haarsträubend komplizierte Registrierungsprozess soll künftig wegfallen. Einige Medien übersetzten das nicht ganz richtig damit, die ePA werde nun "verpflichtend". Datenschutz-Besorgte und -Beauftragte können aber aufatmen: Wer die ePA nicht will, muss sie auch in Zukunft nicht nutzen.

Auch die Notfallversorgung soll reformiert werden, wenn es nach Minister Lauterbach und der zuständigen Regierungskommission geht: Unter anderem sollen an Krankenhäusern Integrierte Notallzentren (NZ) aufgebaut werden, die aus der Notaufnahme und von den Kassenärztlichen Vereinigungen betriebenen Notfallpraxen bestehen sollen. Nur: Die KVen sind bisher wenig begeistert und fragen, woher denn die Ärztinnen und Ärzte für die Notfallpraxen kommen sollen. Eine Antwort darauf steht noch aus.


Und noch etwas: Die Ampel-Regierung möchte die Praxisgebühr nicht wieder einführen. Wäre das auch geklärt.

UPD 2024: Reform gelungen, Patientenberatung tot?

Nach langen Diskussionen ist es da: Am 16.03. wurde im Bundestag mit den Stimmen der Ampel-Koalition das Gesetz zur Neuaufstellung der Unabhängigen Patientenberatung beschlossen. Die UPD soll zum 1. Januar 2024 als Stiftung bürgerlichen Rechts aufgebaut werden. Das bisherige Modell von wiederkehrenden Neuausschreibungen mit dem daran anschließenden aufwändigem Ab- und Wiederaufbau der Beratungsstrukturen wird beendet. Die Fördersumme wird von 9 auf 15 Millionen erhöht. Im Stiftungsrat sollen Vertreterinnen und Vertreter von Patientenorganisationen, Bundesregierung und Bundestag sowie dem GKV-Spitzen­ver­band sitzen. Den Vorsitz hat der oder die Patientenbeauftragte der Bundesregierung.
 
Das klingt erstmal erfreulich. Aber: Zur inhaltlichen Konzeption der neuen Stiftung gibt es Stand Mitte April 2023 bisher ebenso wenig Konkretes wie zum Übergang der bestehenden Beratungsressourcen und -strukturen. Für die qualifizierten und erfahrenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im UPD-Beratungsteam ist das eine schwierige Situation, die sich nun schon lange hinzieht: Trotz wohlklingender Absichtserklärungen aus der Politik und deutlichen Warnungen vor einem Bruch im Beratungsangebot weiß aktuell kein Berater und keine Beraterin, ob er oder sie im kommenden Januar noch für die UPD beraten kann.

Das ist für die vielen tausend Ratsuchenden ein Problem, die die UPD-Beratung jeden Monat in Anspruch nehmen. Und auch die Kooperationspartnerinnen und -partner der UPD fragen sich, wohin sie denn die Menschen mit Beratungsbedarf schicken sollen, wenn es erst mal kein UPD-Beratungsangebot mehr geben wird. Denn: Ohne Beraterinnen und Berater keine Beratung. Eigentlich soll die Stiftung am 1. Januar betriebsbereit sein, so auch der erklärte Wille von Minister Lauterbach. Zunächst muss die Stiftung mit Sitz in Berlin aber erstmal formal gegründet werden - wer in Berlin mal einen Reisepass beantragt hat, weiß, wie langwierig Verwaltugsprozesse in der Bundeshauptstadt sein können. Stiftungsrat und Stiftungsvorstand müssen personell erst noch besetzt, das inhaltliche Konzept der Stiftung ausgearbeitet werden. Um die UPD-Stiftung im Januar an den Start bringen zu können, bräuchte es jetzt eine Kraftanstrengung aller Beteiligten und vor allem schnelle, konkrete Signale an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
 

Arzt- und Therapieplatzsuche: Warten auf Godot?

Haben Sie in letzter Zeit versucht, einen Termin bei einem (Fach)arzt oder einer (Fach)ärztin zu bekommen? Oder gar einen Psychotherapieplatz? Oft alles andere als einfach: Auch im Jahr 2023 bleibt Patientinnen und Patienten oft wenig anderes übrig, als das Prinzip Hoffnung und eine lange Liste mit Telefonnummern von Arzt- oder Psychotherapiepraxen.

Dabei gibt es bereits seit 2019 das Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG), das die Suche nach Ärzten oder Ärztinnen sowie Therapeuten oder Therapeutinnen schneller und einfacher machen soll. Im Alltag des Gesundheitswesens stellt sich Erfolg bisher aber nur begrenzt ein: Die Vermittlung von Terminen für ambulante Behandlungen in Krankenhäusern über die vom TSVG geschaffenen Terminservicestellen etwa klappt oft nicht. Auf der der Website der 116 117 wird auf diese Möglichkeit gar nicht hingewiesen. Auch die Dringlichkeitscodes, mit denen dringend behandlungsbedürftige Menschen schneller an einen Termin kommen können, werden in der Praxis oft gar nicht erst ausgehändigt.

Politik und Ärzteschaft hatten sich in der Zwischenzeit lieber über die Abschaffung der Neupatientenregelung gestritten. Große Initiativen zur Behebung dieser für Patientinnen und Patienten nicht hinnehmbaren Situation sind dagegen nicht erkennbar. Zwar ist die mangelnde Umsetzung des TSVG nicht der einzige Grund für den Mangel an Arztterminen - dazu gehört unter anderem auch ein genereller Mangel an Ärzt:innen und Ärzten vor allem auf dem Land - aber es ist eine Stellschraube, an der die Politik ansetzen kann und muss.

Mehr dazu gibt's auch in unserer Pressemitteilung zum Thema.

Die Video-Beratung kommt!

Wir schauen nach vorne (und auf den Bildschirm): Zum Frühlingsanfang starten wir mit der Videoberatung im Rahmen eines Modellprojekts einen neuen Beratungskanal. Neben der Beratung per Telefon, per Internet sowie vor Ort soll zukünftig auch das virtuelle "Face to Face" einen festen Bestandteil des Beratungsangebots der UPD bilden!

Mit der Vidoeberatung haben Ratsuchende ein Gesicht vor Augen und können beispielsweise dem Beratenden ein Schreiben der Krankenkasse zeigen. Gleichzeitig können sie das Beratungsgespräch aber auch bequem und sicher von zu Hause führen.
 
Mehr dazu, wie genau Ratsuchende zu einer Video-Beratung kommen und wie sie technisch funktioneren wird, gibt es demnächst auf unserer Website www.patientenberatung.de. Stay tuned!

Termine und Veranstaltungen der UPD

Auch im zweiten Quartal des Jahres gehen wir wieder mit diversen Webinaren an den Start. Wie immer gilt: Die Webinare sind kostenfrei und interaktiv. Das heißt: Kein Frontalunterricht, stattdessen können und dürfen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer jederzeit per Chat oder Mikrofon Fragen stellen oder Anmerkungen machen. In der Regel ist auch keine Voranmeldung notwendig.

Drei Fragen an: Stefan Schwartze, Patientenbeauftragter der Bundesregierung

Stefan Schwartze (SPD) ist seit 2009 direkt gewähltes Mitglied des Deutschen Bundestags für den Wahlkreis Herford – Minden-Lübbecke II und seit Januar 2022 Beauftragter der Bundesregierung für die Belange der Patientinnen und Patienten ("Patientenbeauftragter"). Er ist aktuell Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirats der UPD und wird ab 2024 den Vorsitz im Stiftungsrat der neuen UPD-Stiftung übernehmen.
 
1) Was ist für Sie die größte Errungenschaft des Patientenrechtegesetz?

Das Patientenrechtegesetz von 2013 war ein wichtiger Meilenstein in unserem Rechtssystem. Es hat den Behandlungsvertrag im Bürgerlichen Gesetzbuch verankert und damit die zuvor größtenteils nur durch Richterrecht bestehenden Rechte von Patientinnen und Patienten erstmals auf eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage gestellt. Das hat Transparenz über die vertraglichen Rechte und Pflichten im Behandlungsgeschehen geschaffen und den Grundstein dafür gelegt, dass Patientinnen und Patienten ihre Ansprüche besser durchsetzen können.

2) Wo sehen Sie im Bereich Patientenrechte aktuell die größten Baustellen?

Nach fast 10 Jahren ist es Zeit für eine Weiterentwicklung. Wir haben die Pflicht, Patientinnen und Patienten bei Behandlungsfehlern Ihrem Recht zu verhelfen. Deshalb habe ich das Jahr 2023 zum Jahr der Patientenrechte ausgerufen und erwarte die Umsetzung des Koalitionsvertrags mit konkreten Verbesserungen zur rechtlichen Stellung von Patientinnen und Patienten. Ganz wichtig finde ich dabei, die Informations- und Einsichtsrechte zu stärken. Der Kern ist es aber, dass es  für viele Patientinnen und Patienten nach wie vor sehr schwierig ist, Behandlungsfehler nachzuweisen. Um dieses Ziel besser zu erreichen, schlage ich die seit längerem diskutierte Absenkung des Beweismaßes vor. Das reduziert den – oft unmöglich erreichbaren - zweifelsfreien Nachweiszwang auf ein ausgewogenes Maß. Wenn es ausreichend ist, dass der Zusammenhang zwischen Behandlungsfehler und Schaden überwiegend wahrscheinlich ist, könnte dies im Schadensfall die Betroffenen auf Augenhöhe mit den Behandelnden bringen. Dies ist in vielen anderen Ländern wie Großbritannien und Österreich schon lange bestehende Rechtslage. 
Darüber hinaus müssen wir auch an diejenigen denken, die durch einen Behandlungsfehler so eingeschränkt sind, dass sie ihren Beruf nicht mehr ausüben können. Diese fühlen sich mental und finanziell oft kaum in der Lage, ein Klageverfahren über vier, fünf oder sogar zehn Jahre durchzustehen. Die Einführung eines Härtefallfonds ist sicherlich kein einfaches Unterfangen. Er kann aber bei besonders hart betroffenen Patientinnen und Patienten ein wichtiger Notnagel sein, um Menschen trotz widrigster Umstände zu ihrem Recht zu verhelfen.

3)  Wie sollte Ihrer Ansicht nach die systematische Information, Beratung sowie Stärkung der Gesundheitskompetenz von Patientinnen und Patienten der Zukunft aussehen?

Eine ausreichende Gesundheitskompetenz ist die Grundvoraussetzung dafür, dass Patientinnen und Patienten sich gut informiert durch unser komplexes Gesundheitssystem bewegen, selbstbestimmt über ihre Behandlung mitentscheiden und ihre Patientenrechte wahrnehmen können. Auch Selbsthilfegruppen leisten heute wie morgen wichtige Arbeit in diesem Bereich. Selbst betroffene weisen durch ihre Eigenerfahrung und Glaubwürdigkeit den richtigen Weg zum Umgang mit der Krankheit wie auch zu schneller Genesung. Wollen wir aber Gesundheitskompetenz und Eigenverantwortung nachdrücklich fördern, müssen wir auch bestehende neutrale und qualitätsgesicherte Informations- und Beratungsangebote – wie etwa der Bundesregierung zu Long Covid, der Unabhängigen Patientenberatung Deutschland (UPD) oder des Nationalen Gesundheitsportals gesund.bund.de bekannter machen und deutlich stärken. Gerade der UPD steht hier natürlich aus meiner Sicht als unabhängige Beratungsstelle eine große Rolle und Potential zu. Patientinnen und Patienten finden sich im Dickicht unseres Gesundheitssystems nicht immer zurecht. Eine Beratungsstelle, die diesen Menschen kompetent weiterhelfen kann und dabei ihre Arbeit patientenorientiert ausgerichtet hat, ist schlicht und einfach unverzichtbar. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der UPD haben das insbesondere in den vergangenen Jahren der Pandemie sehr viel geleistet und ihr Fachwissen bei der medizinischen und juristischen Unterstützung der Bürgerinnen und Bürgern nachdrücklich unter Beweis gestellt. 
Website des Patientenebauftragten der Bundesregeirung
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